C. Gerber: Court, Pâturage de l’Envers

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Titel
Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle. Volume 1: Les vestiges


Autor(en)
Gerber, Christophe
Erschienen
Bern 2010: Rub Media
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Thut

Die Herstellung von Glas ist seit Langem bekannt, im eidgenössischen Raum aber erst im 9. Jahrhundert in Zusammenhang mit Klosterhandwerk in St. Gallen schriftlich belegt. Bis ins 15. Jahrhundert wurde das meiste Glas aus dem Schwarzwald oder aus anderen der Eidgenossenschaft benachbarten Orten und erlesene Ware aus Murano (Venedig) eingeführt, danach versorgten sogenannte Waldglashütten die Bevölkerung einer Region mit einfachen Glaswaren. Diese Produktionsstätten lagen aus Gründen des grossen Holzbedarfs in waldreichen Gegenden des Voralpenraums und des Juras. Darum auch der Name. Die einzige Waldglasmanufaktur in der Eidgenossenschaft, die bis jetzt genauer erforscht war, war diejenige in Flühli (LU).

Christophe Gerber hat 2000 bis 2005 die Grabungskampagnen des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern in Court geleitet. Die grösste archäologische Intervention dieser bernischen Fachstelle entlang dem Trassee der teilweise bereits bestehenden, teilweise neu entstehenden Autobahn A16 im Berner Jura galt einer ehemaligen Glasmanufaktur, von deren Existenz man wusste, von deren Ausdehnung und Reichtum aber kaum etwas bekannt war. Die bis anhin verfügbaren Kenntnisse beruhten allein auf Archivmaterial, einigen archäologischen Beobachtungen und Fundgegenständen in Privatsammlungen.

Das im östlichen Teil des Tales von Tavannes zwischen Court und dem Binzberg gelegene Terrain, wo Aushubmaterial des Autobahnbaus deponiert werden sollte, wurde unter diesen Umständen und durch die gründliche Arbeit von Christophe Gerber nach Flühli zum zweiten Ort, wo eine schweizerische Waldglasmanufaktur aus dem 18. Jahrhundert gut dokumentiert ist. Ein Teil der interessanten und originellen Erkenntnisse dieser Forschungen mit interdisziplinärem Charakter fanden Eingang in den nun vorliegenden ersten Band. Es sind dies die Erkenntnisse zu den baulichen Ruinen (zwei Produktionsgebäude, die Glashütte, die Streckhütte, vier Wohnhäuser, ein Weg, ein Brunnen und ein Zuleitungssystem für Trinkwasser) und zu den paläobotanischen Untersuchungen der drei Mitarbeitenden des Instituts für prähistorische und naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Basel, Christoph Brombacher, Angela Schlumbaum und Lucia Wick. Letztere bringen zwar keine Überraschungen und belegen die dort übliche Vegetationszusammensetzung und keine vielleicht erwartete Konzentration von Kulturpflanzen. Auch zu keinen neuen Erkenntnissen, aber zu einem etwas reicheren Gesamtbild trägt Nicolas Storck bei, der den Naturraum (Geologie) vorstellt. Die archäologischen Erkenntnisse hingegen schlagen eine neue Seite auf in der wissenschaftlichen Diskussion um die schweizerische Glasmanufaktur des 18. Jahrhunderts, die mit den 1983/1984 gemachten Erkenntnissen in Flühli unter Georges Descoeudres, Heinz Horat und Werner Stöckli eröffnet worden war. Die Ausgrabung der Anlage in Court auf einem Terrain von über 10 000 m2 seien, schätzt Gerber, europaweit einzigartig, zumindest, was eine Waldglashütte anbelangt. Zusammen mit den Dokumenten in den Archiven könnte die Fundstelle Court seiner Meinung nach darum sogar zu einer Referenzfundstelle werden. Die Summe der gesicherten Spuren sollte es nach ersten Einschätzungen erlauben, nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche, soziale und kulturgeschichtliche Seiten im Leben der Glasmacher des frühen 18. Jahrhunderts im Jurabogen zu erhellen.

Die Publikation breitet auf 202 Seiten eine Fülle von Erkenntnissen zu Court, Pâturage de l’Envers aus und zieht auch das geographische und historische Umfeld mit seinen weiteren zwei Dutzend belegten Glasmanufaktur-Standorten zwischen La Chauxde-Fonds und Balsthal (darunter vier mit Standort Court) mit ein. Die Ausgrabungen wie auch die Präsentation der Erkenntnisse zeugen von grosser Gründlichkeit und Engagement. Die Darstellung ist reich mit Plänen und Fotografien zur Arbeit der Archäologen illustriert. Einen bildhaften Eindruck der Glasmanufaktur gewinnt die Leserin oder der Leser durch (zeitgenössische) Abbildungen von Glasmanufakturen im Schwarzwald und mittels eines Modells, das auf Basis der archäologischen Erkenntnisse und dem handwerklichen Können eines Zimmermanns aus Moutier erstellt wurde. Der Grossteil der Publikation ist in Französisch gehalten, wohl auch, um zu unterstreichen, dass es sich hier neben dem deutschsprachigen Flühli um einen grossen Fundort im benachbarten französischsprachigen Kulturkreis handelt, und um Interessierte französischer Sprache leichter zu erreichen. Aber natürlich will man auch die anderssprachigen Wissenschaftsgemeinden mit der Übersetzung der Kapitelzusammenfassungen je ins Deutsche oder ins Französische und ins Englische gewinnen.

Zitierweise:
Walter Thut: Rezension zu: Gerber Christophe: Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle. Volume 1: Les vestiges. Bern, Rub Media, 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 73 Nr. 2, 2011, S. 39-41.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 73 Nr. 2, 2011, S. 39-41.

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